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Der Organismus

Ein Mensch erscheint dem Beobachter auf den ersten Blick als ein belebter Körper. Die Frage, ob er über diesen Körper hinaus auch noch eine Seele hat und was das überhaupt bedeutet, wird gesondert behandelt (siehe "Psyche" im Lexikon). Den Körper, als der uns ein Mensch zunächst erscheint, nennen wir einen Organismus, weil er nicht ein bloßer Körper ist, wie ein Stein und ein Tisch es auch sind, sondern in sich "organisiert" ist. Der Organismus hat folgende charakteristische Eigenschaften und Fähigkeiten.

System:

Wir nennen den Körper eines Menschen deshalb einen Organismus, weil er, anders als ein Stein und ein Tisch, in sich nach gewissen Prinzipien geformt ist und arbeitet. Er ist ein System. Das griechische Wort "Systema" bedeutet "das Zusammengesetzte". Ein System ist ein Verbund oder Verband von gewissen Dingen, genannt seine Komponenten, zwischen denen bestimmte Beziehungen bestehen. So ist zum Beispiel eine Familie ein System. Seine Komponenten sind die Familienmitglieder, und zwischen ihnen bestehen die Beziehungen, dass sie miteinander verwandt sind, miteinander kommunizieren, einander erziehen, lieben, quälen usw. Auch eine biologische Zelle ist ein System. Seine Komponenten sind die Zellwand, der Zellkern, die Erbanlagen und der Rest. Die zahllosen, zwischen ihnen stattfindenden chemischen Wechselwirkungen bilden die Beziehungen wie beispielsweise die Wasseraufnahme durch die Zellwand, die Zuckerverbrennung, der Eiweißaufbau usw. Das gleiche gilt für eine Ansammlung von Zellen, die zusammen mit ihren Zwischenzellverbindungen und -wechselwirkungen das System Gewebe bilden. Beim Menschen sind es zum Beispiel das Muskelgewebe, das Nervengewebe, das Bindegewebe und andere Gewebesorten. Verschiedene von solchen Geweben verflechten sich zu einem Organ – wie Magen, Dünndarm, Gehirn – als einem System höherer Ordnung mit einer bestimmten Leistung. Mehrere Organe werden ihrerseits durch ein Geflecht von Beziehungen miteinander vernetzt, woraus ein Organsystem resultiert wie das Verdauungssystem, das Blutkreislaufsystem, das Nervensystem, das Immunsystem, das System der Hormondrüsen und so fort. Durch ein Geflecht von Beziehungen zwischen solchen Organsystemen entsteht schließlich das Gesamtsystem Organismus. Sein Beziehungsgeflecht umfasst zum Beispiel Funktionen wie die Versorgung der Gewebe mit Blut und Nährstoffen, die Entsorgung der Stoffwechselendprodukte, die Beeinflussung des Blutdrucks durch das Nervensystem, die Beeinflussung des Stoffwechsels durch Hormone, die Fremdkörperabwehr durch das Immunsystem, die nervale Erregungsleitung und Endorganreizung und anderes. Die Leistung dieses selbsttätigen Wundernetzwerks präsentiert sich schließlich als das Leben des betreffenden Organismus.

Selbstregulation und Selbstorganisation:

Die wichtigste Beziehung, die zwischen den einzelnen Komponenten des Systems Organismus besteht, ist die Kausalbeziehung ("causa" = Ursache), das heißt, die Ursache-Wirkungs-Beziehung, indem eine bestimmte Komponente des Organismus wie zum Beispiel das Nebennierenmark ("die Adrenalindrüse") in einer anderen Komponente wie etwa dem Herzen eine Beschleunigung seiner Schlagfolge als Wirkung verursacht. Solche Kausalbeziehungen finden wir im Organismus überall. Jede seiner Komponenten verursacht in fast allen anderen Komponenten irgendwelche Wirkungen. Somit ist der Organismus als Ganzes ein Kausalsystem. Da sein Kausalverhalten relativ selbständig, also eigengesetzlich abläuft, betrachten wir ihn daher als ein autonomes Kausalsystem ("autos" = selbst; "nomos" = Gesetz; "autonom" = eigengesetzlich). Eine wichtige Folge dieser Eigenschaft ist, dass der Organismus dank des Aufeinanderwirkens seiner Komponenten die Fähigkeit der Selbstregulation erhält. Er kann seine einzelnen Parameter, wie zum Beispiel die Herzschlagfrequenz oder den Blutdruck, in gewissen Grenzen selbst regeln.

Ein Aspekt der Selbstregulation ist die Selbstorganisation des Organismus. Zum Beispiel wächst er aus der befruchteten Eizelle im Mutterleib selbständig zum Embryo und Baby heran, entfaltet sich nach seiner Geburt zu einem Erwachsenen und entwickelt dabei gewisse andere Organe und Fähigkeiten; er verdaut die aufgenommene Nahrung und zerlegt sie bis in ihre kleinsten Bausteine; er versorgt seine Körperteile mittels des Herzens und des Kreislaufs mit Nahrung und Sauerstoff; er baut Stoffe auf, die bei Verletzungen und Verwundungen die Wunden schließen und heilen und vieles mehr. Kurz gesagt, ist er zur Selbstorganisation fähig.

Inneres Milieu:

Die Lebensleistungen, die der Organismus vollbringt, wie zum Beispiel die Verdauung oder auch der Broterwerb durch körperliche Arbeit, bedürfen der obengenannten Fähigkeiten zur Selbstorganisation und Selbstregulation. Beispielsweise verbraucht die Muskelarbeit Zucker, der dem vorbeiströmenden Blut entnommen wird, und dafür ist das Insulin aus der Bauchspeicheldrüse erforderlich. Die Vorgänge der Selbstregulation, die im Organismus zwischen seinen Komponenten stattfinden, sind also chemisch-physikalischer Natur. Jeder chemisch-physikalische Vorgang dieser Art findet in einem bestimmten Milieu, das im Organismus jeweils besteht, statt, das heißt, in unmittelbarer Anwesenheit gewisser Chemikalien, gewisser Hormone oder Vitamine, gewisser Enzyme usw. Der optimale Vollzug der Lebensleistungen erfordert vom Organismus, dass er für den ungestörten Ablauf seiner chemisch-physikalischen Vorgänge dieses jeweils notwendige Milieu bereitstellt, nämlich, dass er bestimmte Größen wie zum Beispiel den Blutdruck, den Blutzucker, die Herzschlagfrequenz und andere Parameter im Ruhezustand relativ konstant hält und bei Anstrengungen erhöht oder, je nachdem, erniedrigt. Diese Selbstorganisation und Selbstregulation befähigen den Organismus dazu, dass er für den optimalen Vollzug der Lebensleistungen eine optimale Infrastruktur, ein optimales inneres Milieu, schafft.

Betrachtet man Eisenspäne auf einem Blatt Papier, unter dem sich ein Magnet befindet, wird man eindrucksvoll beobachten können, wie sich die Eisenspäne in dem unsichtbaren Magnetfeld über dem Papierblatt in Reih und Glied nach einer bestimmten Richtung ausrichten. Man kann sagen, dass sich die Eisenspäne in einem bestimmten Milieu befinden, das ihr Verhalten verursacht. Nicht anders verhält es sich im Organismus. Auch in ihm gibt es mehr oder weniger "unsichtbare" innere Milieus, in denen die chemisch-physikalischen Lebensvorgänge stattfinden, sich also wie die Eisenspäne in einer bestimmten Richtung ausrichten. Wir werden später ein solches inneres Milieu des Menschen in seinem Säure-Basen-Gleichgewicht vorfinden. Es kann als eine fundamental wichtige Komponente des autonomen Kausalsystems Organismus betrachtet werden, das seine chemisch-physikalischen Vorgänge kausal beeinflusst und deshalb für Gesundheit und Krankheit extrem verantwortlich ist. - Ausführliches zu den Themen Organismus, Leben und Seele findet man hier.

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